Der Mythos vom geradlinigen Erfolg
- Eldina Sonnenholzner
- 3. März
- 4 Min. Lesezeit
Wir lieben Erfolgsgeschichten. Sie motivieren uns, zeigen uns, dass harte Arbeit belohnt wird, und lassen uns glauben, dass ein klarer, vorhersehbarer Weg zu großen Errungenschaften führt. Mich hat das in Phasen in denen meine Selbstzweifel besonders stark war komplett irritiert. Ich habe mich sehr allein gefühlt mit meinen Versagensängsten. Denn man spricht nur sehr ungern darüber.
Heute weiß ich die Wahrheit sieht anders aus. Erfolg ist selten eine gerade Linie nach oben. Er ist ein verschlungener Pfad mit Umwegen, Rückschlägen und inneren Zweifeln. Und genau diese Zweifel sind es, die uns formen – wenn wir lernen, mit ihnen zu arbeiten, anstatt gegen sie anzukämpfen.
Die Geschichte eines gescheiterten Genies
Wenn wir heute an Walt Disney denken, sehen wir eine globale Marke, eine magische Welt voller Fantasie und eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen. Doch Walt Disney selbst erlebte lange Zeit nur Misserfolg. Er wurde als junger Mann von einer Zeitung gefeuert, weil ihm angeblich „die Kreativität fehle“. Sein erstes Unternehmen scheiterte kläglich, und er musste Insolvenz anmelden. Selbst als er anfing, seine ersten Zeichentrickfilme zu produzieren, wurden sie von den Studios abgelehnt oder schlecht bezahlt. Seine Figur „Oswald, the Lucky Rabbit“ wurde ihm von einem Geschäftspartner gestohlen – eine Erfahrung, die ihn an den Rand des Aufgebens brachte.
Doch anstatt zu resignieren, nutzte Disney seine Zweifel als Treibstoff. Er schuf eine neue Figur – Mickey Mouse – und veränderte damit die Welt der Unterhaltung für immer. Hätte er auf die inneren und äußeren Stimmen gehört, die ihm sagten, dass er nicht gut genug sei, wäre er nie der kreative Visionär geworden, den wir heute kennen.
Der innere Kritiker als Wegweiser
Viele von uns kennen diese innere Stimme, die uns sagt, dass wir nicht gut genug sind. Dass wir nicht dazugehören. Dass unser Erfolg ein Irrtum ist und dass früher oder später jemand herausfinden wird, dass wir eigentlich nichts können. Statt diese Stimme zu bekämpfen, können wir sie nutzen. Denn oft ist sie nicht unser Feind, sondern unser Lehrer.
Erfolg besteht nicht aus dem Fehlen von Selbstzweifeln, sondern aus der Fähigkeit, mit ihnen umzugehen. Große Persönlichkeiten wie Oprah Winfrey und J.K. Rowling haben alle mit Selbstzweifeln und Rückschlägen gekämpft. Doch anstatt sich davon lähmen zu lassen, haben sie diese Stimmen als Wegweiser genutzt. Sie haben sich gefragt: Was kann ich aus diesem Zweifel lernen? Wie kann ich daran wachsen?
Misserfolg ist kein Gegenteil von Erfolg – er ist ein Teil davon
Wir glauben oft, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Erfolg oder Scheitern. Doch in Wahrheit gehört Scheitern zum Erfolg dazu. Die berühmte Basketball-Legende Michael Jordan sagte einmal: „Ich habe in meiner Karriere mehr als 9.000 Würfe verfehlt. Ich habe fast 300 Spiele verloren. 26-mal wurde mir der spielentscheidende Wurf anvertraut – und ich habe daneben geworfen. Ich habe immer und immer wieder versagt. Und genau deshalb bin ich erfolgreich.“
Jeder Fehlschlag, jede Niederlage und jeder Moment des Zweifels gibt uns eine neue Chance, besser zu werden. Wir lernen aus Fehlern mehr als aus Erfolgen. Und wir wachsen nicht trotz unserer Unsicherheiten, sondern gerade wegen ihnen.
Erfolg neu definieren
Vielleicht sollten wir Erfolg nicht mehr als einen linearen Aufstieg betrachten, sondern als einen Weg voller Höhen und Tiefen. Einen Weg, auf dem Selbstzweifel nicht als Feinde, sondern als Navigationshilfen dienen. Anstatt sie zu unterdrücken, können wir lernen, sie zu hinterfragen: Was sagt mir meine Unsicherheit? Welche Fähigkeiten muss ich noch weiterentwickeln? Welches Risiko bin ich bereit einzugehen?
Walt Disney hätte nach seinem ersten Scheitern aufgeben können. Michael Jordan hätte nach seinen Fehlwürfen den Sport verlassen können. Doch sie taten es nicht – weil sie verstanden, dass Fehler und Zweifel kein Zeichen von Schwäche sind, sondern von Wachstum.
Der wahre Erfolg kommt nicht durch das Fehlen von Hindernissen, sondern durch die Fähigkeit, mit ihnen zu arbeiten. Indem wir den inneren Kritiker als eine Stimme des Lernens betrachten und Misserfolg als einen Teil des Weges akzeptieren, können wir unser volles Potenzial entfalten.

Mit IFS-Methoden die innere Kritikerin integrieren
Ein wirksamer Weg, um mit dem inneren Kritiker zu arbeiten, anstatt ihn zu bekämpfen, liegt in den Prinzipien des Internal Family Systems (IFS). Diese Methode hilft, innere Anteile zu erkennen und konstruktiv mit ihnen in Kontakt zu treten.
Statt den inneren Kritiker zu unterdrücken oder als Feind zu betrachten, können wir ihn als eine Stimme sehen, die uns auf etwas hinweisen möchte – sei es Angst, ein unerfülltes Bedürfnis oder alte Schutzmechanismen. Durch gezielte Reflexions- und Dialogtechniken lernen wir, diese Anteile in unser Selbstbild zu integrieren und sie nicht als Hindernis, sondern als Ressource zu nutzen.
In meinen Workshops arbeite ich mit genau diesen Methoden:
Identifikation und Anerkennung: Welcher Anteil in dir spricht, wenn du dich selbst kritisierst?
Neupositionierung: Welche positive Absicht steckt hinter dieser inneren Stimme?
Transformation durch Selbstführung: Wie kannst du deine Kritikerin zu einer unterstützenden Begleiterin machen?
Diese Ansätze ermöglichen es, den eigenen Erfolgsweg bewusster und selbstbestimmter zu gestalten. Denn wenn wir unsere inneren Kritiker nicht mehr als Feinde sehen, sondern als Informationsquellen, dann können wir ihnen mit Neugier und Mitgefühl begegnen – und unser volles Potenzial entfalten.
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